Corona-Pandemie und Herznotfälle: Bei Herzinfarkt-Verdacht keine Scheu vor dem Notruf 112
Notfallmediziner warnen: Bei Verdacht auf Herzinfarkt oder andere Herznotfälle nicht zögern, sondern sofort den Notruf 112 absetzen. Kliniken sind trotz Corona-Pandemie für Herz- und andere Notfälle gerüstet
(Im März 2020) Jedes Jahr sterben pro Jahr bundesweit fast 345.000 Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, davon rund 47.000 Menschen allein am Herzinfarkt. Unter den
Herzinfarkt-Sterbefällen sind auch Menschen im mittleren Alter, was jüngst im Profifußball der tragische Tod eines 48-jährigen Spielerberaters zeigt. Etwa 30 Prozent der Herzinfarktpatienten
versterben außerhalb der Klinik, auch weil sie zu spät oder gar nicht den Notarzt (112) alarmieren. „Bei Herzinfarkt-Verdacht zögern immer noch viele Betroffene davor, den lebensrettenden Notruf
112 abzusetzen, häufig aus Scheu vor dem Rettungswagen vor der eigenen Haustür oder weil die Symptome nicht richtig zugeordnet werden“, berichtet der Kardiologe Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer,
stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. „Herzinfarkt, aber auch andere Herznotfälle wie eine akut dekompensierte Herzinsuffizienz oder lebensbedrohliche
Herzrhythmusstörungen sind keine aufschiebbaren Krankheitsfälle, sondern unterliegen selbstverständlich weiterhin der Notfallversorgung“, bestätigt Voigtländer. „Eine Notfallversorgung für diese
Patienten ist weiterhin gewährleistet.“
Corona-Pandemie: Macht sie Notfallpatienten für die 112 zögerlicher?
Zu langes Warten bei Herzinfarkt-Verdacht ist besonders gravierend bei Frauen und Männern, die älter als 65 Jahre sind. Bei Ihnen dauert es im Schnitt über vier beziehungsweise drei Stunden, bis
sie nach dem Auftreten der ersten Herzinfarkt-Symptome in die Notaufnahme gelangen (MEDEA-Studie*). „Dieses fatale Verzögerungsverhalten bei Notfallpatienten dürfte sich angesichts der
Corona-Pandemie noch deutlich verstärken“, warnt der Ärztliche Direktor des Agaplesion Bethanien-Krankenhauses und Kardiologe am Cardioangiologischen Centrum Bethanien (CCB) Frankfurt am Main.“
Schließlich gelten mit der Pandemie verbundene Einschränkungen wie eine soziale Distanz besonders für den Schutz der Risikogruppe der über 60-Jährigen mit Vorerkrankungen wie chronische
Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese Art Rückzugsgebot dürfte bei diesen Menschen die Hemmschwelle für den Notruf 112 oder den Schritt in die Klinik um ein Weiteres erhöhen.“ Die Deutsche
Herzstiftung appelliert deshalb an Herzpatienten und Menschen mit Vorbelastung für Herzinfarkt und andere Herzkrankheiten, bei Verdacht auf Herzinfarkt sofort den Notruf 112 abzusetzen. „Der
Notarzt ist hier so wichtig, weil der Herzinfarkt jederzeit in Herzkammerflimmern übergehen und der Patient in wenigen Minuten am plötzlichen Herztod versterben kann. Ebenso kann durch den
Infarkt ein größerer Teil des Herzmuskels irreparabel zerstört werden und der Patient entwickelt dadurch akut oder auch langfristig eine Herzschwäche“, betont Voigtländer. „Beim Herzinfarkt zählt
deshalb jede Minute nach dem Prinzip: Zeit ist Herzmuskel.“
Herzinfarkt-Verdacht: auf diese Warnzeichen achten!
Typische Herzinfarkt-Symptome sind insbesondere plötzlich einsetzende starke Schmerzen, die länger als fünf Minuten anhalten und sich in Ruhe nicht bessern (häufig: kalter Schweiß, Blässe,
Übelkeit, Atemnot, Unruhe und Angst). Die Schmerzen sind überwiegend im Brustkorb, häufig hinter dem Brustbein, bisweilen auch nur im Rücken zwischen den Schulterblättern oder im Oberbauch. Die
Schmerzen können in den Arm, den Hals oder Kiefer ausstrahlen. Mehr Infos zu dem Herzinfarkt-Schmerzorten unter: www.herzstiftung.de/Anzeichen-Herzinfarkt.html
Bei diesen Warnzeichen sofort zum Arzt!
Generell sollten Betroffene bei den folgenden Warnzeichen umgehend zum Internisten oder Kardiologen. Sie können untersuchen, ob z. B. eine Herzrhythmusstörung als Folge einer koronaren
Herzkrankheit (die Grunderkrankung des Herzinfarkts), oder andere Herzerkrankungen wie Herzklappenerkrankungen oder eine Herzschwäche vorliegt. Unbehandelt können diese Erkrankungen zu
schwerwiegenden, auch notfallmäßigen, Komplikationen führen:
- Schmerzen oder ein unangenehmes Engegefühl im Brustkorb (Angina pectoris) und/oder Luftnot
- Herzrasen mit Einschränkung der Belastbarkeit
- Hartnäckiges Herzstolpern
- Kurze Bewusstlosigkeiten (Synkopen)
- Schwindelanfälle, drohende Bewusstlosigkeiten
Diese Beschwerden können Warnzeichen auch für mehrere Herzerkrankungen zugleich sein. „Angina pectoris-Beschwerden können Vorboten für eine fortgeschrittene Herzkranzgefäßverengung bis hin zum
Herzinfarkt sein, aber auch Anzeichen einer operationsbedürftigen Herzklappeninsuffizienz“, erläutert Voigtländer. Auch Atemnot und Leistungsschwäche sind, wie der Herzspezialist betont, typische
Symptome für eine Herzschwäche oder eine andere Herzproblematik wie Herzklappenerkrankung oder aber Vorhofflimmern. Kurze Synkopen können ein harmloses neurologisches Problem, aber auch Vorboten
einer bösartigen Herzrhythmusstörung (Kammerflimmern) sein. „Deshalb sollte man bei diesen Symptomen einen Facharzt aufsuchen“, rät Voigtländer.
Unbemerktes Vorhofflimmern und Schlaganfallgefahr
Bei etwa 50 % der über 1,8 Millionen Betroffenen mit Vorhofflimmern macht sich die Herzrhythmusstörung mit spürbaren Beschwerden wie Herzstolpern und Herzschlag bis zum Hals, Druckgefühl im
Brustkorb, Angst, Luftnot, Schwindelgefühl und Leistungsschwäche bemerkbar. Bei Vorhofflimmern ist meistens das Herz völlig außer Takt, es schlägt chaotisch mit einem Puls von bis zu 160 Schlägen
pro Minute, selten sogar schneller. Ist der Puls unregelmäßig oder liegt er in Ruhe über 100 Schlägen pro Minute, sollte man den Hausarzt oder Internisten aufsuchen. Bei Vorhofflimmern können
schon in wenigen Stunden in den Herzvorhöfen Blutgerinnsel entstehen, die vom Blutstrom mitgeschleppt Arterien verschließen und je nach betroffenem Areal einen Schlaganfall verursachen. Die
typischen Warnzeichen für einen Schlaganfall, bei denen auch sofort der Notarzt (112) zu alarmieren ist.